Vom Entblössen dessen, was hinter der Oberfläche liegt
Jovan Balov – Portraits 2007 bis 2016
Jovan Balov ist ein analytischer und vielseitiger Zeichner und Maler, konzeptionell und realistisch arbeitender Künstler, der seine Wurzeln als Archäologe in seinen Arbeiten nicht verleugnen kann und will. Er hat nach einem Studium der Archäologie eine sorgfältige Ausbildung als Zeichner, Maler und Kunsthistoriker in seiner Heimatstadt Skopje in Makedonien und an der HdK, heute UdK Berlin, erfahren und stetig vervollkommnet.
Neben der künstlerischen Arbeit betreibt er einen Projektraum im Berliner Wedding, wo er alljährlich eine Vielzahl von Ausstellungen organisiert, kuratiert und präsentiert mit einem Schwerpunkt auf Künstler aus Süd-Ost-Europa.
Bis vor fast 10 Jahren hat er sich nahezu allen künstlerischen Genres gewidmet, hat konzeptionelle Grafik, Videos, Installationen, Collagen, realistische Zeichnungen und hyperrealistische Malerei produziert und auch mit Form und Farbe unterschiedlich experimentiert. Zudem hat er über kunsthistorische Themen – nicht zuletzt über Skulpturen aus der Periode der Klassik in Berlin – analytische künstlerische Arbeiten hergestellt.
In den letzten 10 Jahren wandte er sich unter reduzierter Beibehaltung aller seiner bisherigen künstlerischen Genres und Techniken wieder verstärkt der Malerei zu, vor allem der Portraitmalerei. So entstehen in zeitlicher Abfolge Serien von Gemälden, Acryl auf Leinwand in mittleren Formaten, meist zwischen 90 x 110 cm gross, nur einige wenige in grösseren Formaten.
Seine Portraits arrangiert Balov nicht nur, er erarbeitet sie über konzeptionelle Auseinandersetzungen mit den Persönlichkeiten. Indem er intensive Gespräche führt mit ihnen, bei denen Serien von Fotos entstehen, nähert er sich den Charakteren und dem, was er hinter der Oberfläche der jeweils zu portraitierenden Menschen freilegen will. Er versucht unter die Haut zu kommen und dabei auch zunächst verborgendes zum Vorschein zu bringen.
„Die menschliche Gestalt kann nicht bloss durch das Beschauen ihrer Oberfläche begriffen werden, man muss ihr Inneres entblössen, ihre Teile sondern, die Verbindungen derselben bemerken, die Verschiedenheiten kennen, sich von Wirkung und Gegenwirkung unterrichten, das Verborgene, Ruhende, das Fundament der Erscheinung sich einprägen, wenn man dasjenige wirklich schauen und nachahmen will, was sich als ein schönes, ungetrenntes Ganze in lebendigen Wellen vor unserm Auge bewegt.“ schrieb Johann Wolfgang von Goethe in der Einleitung zu seinen „Schriften zur Kunst“ bereits vor über 200 Jahren.
Diese Sätze Goethes gelten weiterhin insbesondere für jede Art von Portraits von Menschen. Ein Portrait soll über die reale Ähnlichkeit des Abgebildeten, das Wesen oder die Persönlichkeit des Portraitierten zum Ausdruck bringen, somit hinter der allgemeinen Wahrnehmung und Abbildung der Oberfläche das zeigen und erzählen, was hinter dieser Oberfläche steht. Es geht weniger um die objektive Dokumentation oder Typisierung des Abgebildeten, als um die Interpretation der Geschichte, die hinter dem steht, was da abgebildet wird. Ein guter Künstler vertieft sich in die Gestalt und deren Wesen, taucht in seine Geschichte ein, seziert wie ein Anatom seinen Gegenstand und deutet ihn subjektiv in seiner künstlerischen Arbeitsweise. Er verwandelt den Abgebildeten in mehrfacher Hinsicht, um ihm auf die Spur zu kommen, die Realitäten hinter dem Vordergründigen zu finden, ihn zu umkreisen und zu erkennen. Und dies gilt, seit die Fotografie über die Spiegelung der Oberfläche als eigenständige Kunstform hinaus reicht, inzwischen für alle künstlerischen Darstellungsformen, so wie es für die klassischen Medien Zeichnung, Malerei und Skulptur schon immer galt.
Wir leben in einer Zeit wechselnder Orientierungslosigkeit und Beliebigkeit, der Eklektizismen, in der schon Belanglosigkeiten Aufmerksamkeit erhalten können, wenn sie denn nur gut verpackt sind. Heute wird durch blosse Kosmetik, Werbeästhetik und Propaganda mehr Schein statt Sein vermittelt und die Oberfläche, oftmals glatt poliert oder verspiegelt, be- und verhindert den Durchblick. Hier ist der Chronist und Analytiker gefragt, der hinter die Oberfläche schaut und der künstlerische Zeichen des Wirklichen durch die Suche nach dem, was hinter der Fassade und gegen die glitzernde Welt der alles beherrschenden Werbeästhetik steht, setzt und eben portraitiert.
Und genau dies, über das Oberflächliche hinaus zu schauen, versucht Jovan Balov. Zunächst indem er nach intensivem Kennenlernen seiner Protagonisten und den Fotos eine sorgfältige Auswahl trifft, die seine Eindrücke widerspiegeln, dann, indem er aus den ausgewählten Fotos verschiedene Querschnitte macht, unterschiedliche Hälften aus unterschiedlichen Fotos neu arrangiert und daraus ein neues Gesicht zusammen setzt. Die Stirnpartie mit den Haaren, Augenpartie, Nase und Ohren, Mund- und Kinnpartie und schliesslich der Halsansatz werden oftmals aus unterschiedlichen Abbildungen zusammen gesetzt oder gespiegelt, eine Gesichtshälfte lächend, die andere ernsthaft schauend oder je eine Gesichtspartie in eine unterschiedliche Richtung hin orientiert, werden zu einem neuen Ganzen kombiniert. Es ist der Methode ähnlich wie sie zur Gesichtserkennung bzw. Identifizierung von Kriminellen bei der Polizei für die Erstellung von Fahndungsfotos angewendet wird. Jovan Balov entwickelt so eine Art Collage der Charaktere als Vorlage für seine Malerei.
Im folgenden trägt er Acrylfarben nach ausgewählten farblichen Vorgaben mit dem Pinsel auf die Leinwand, geleitet vom Epidiaskop mit seinen fotografischen Vorlagen. Er erarbeitet hyperrealistische Portraits, deren Intention nicht die lebenstreue Nachbildung der Natur ist, sondern eine realistische Übersteigerung der Realität. Anders als im Fotorealismus, der zumeist über eine brilliante realistische Darstellung einfach nur schön sein will, stellt Jovan Balov in seinen hyperrealistischen Portraits durch geringfügig überspitzte Wirklichkeit die Frage nach dem Wesen der Dinge und der Portraitierten.
Schnell löst er sich von den nordamerikanischen Vorbildern des Hyperrealismus wie zum Beispiel von dem Fotorealisten Chuck Close. Es geht ihm weniger um die Übersteigerung des Realen, als um den Einsatz malerischer Mittel zur Herstellung von Charakterstudien mit persönlichem Hintergrund gemäss der Absicht, dass ein Portrait über die Darstellung körperlicher Ähnlichkeiten das Wesen und die Persönlichkeit des Portraitierten über die menschliche Mimik hinaus zum Ausdruck bringen sollte.
So hat er zu Beginn seines Entwicklungsprozesses um das Jahr 2008 ein Portrait seiner Tochter Anna Marija in monochromen Farben gesetzt. Die folgenden Portraits seiner Töchter Paula und Ena sowie die etwas kleinere Arbeit von Ena Kamenkovic, der Tochter eines Freundes, spielen mit den Farben von Braun zu Oker, Siena oder anderen erdigen Farbtönen.
In den Portraits seiner Eltern ab 2009 und seiner Frau Doroteja setzt er zudem die Auseinandersetzung mit der Perspektive in seinen Portraits fort, wodurch diese jeden Bezug zu der Ikonenmalerei, die Jovan Balov aus seiner Makedonischen Tradition bestens kennt, überwindet. Er spielt zudem mit verschiedenen Ansichten in den Portraits seiner Mutter und in seinen Selbstportraits, spiegelt Seiten etc. Das Spiel mit den Farben wie die Plastizität seiner Portraits über die genaue Anwendung der Perspektive treibt er schliesslich in seinen beiden Künstlerportraits des preussischen Bildhauers Christian Daniel Rauch aus dem 18. Jahrhundert und des gegenwärtigen Berliner Malers Wolfgang Petrick – beides 2010 - weiter, indem er Rottöne (Petrick) und Gelbtöne (Rauch) in die Monochromie hinein nimmt. Zusätzlich setzt Balov die Namen der beiden Künstler in Versalien an den oberen Bildrand, gleichsam als Zitat nach Hans Holbein dem Jüngeren, der in der Renaissance in London zahlreiche Adelsportraits geschaffen hat.
Dienten bei den bisherigen Arbeiten selbst hergestellte Fotos von lebenden Personen als Vorlagen für seine Malerei, so diente ihm für die Arbeit zu dem Bildhauer Rauch der klassische Gipsabguss einer Plastik als Vorlage, in die er seine eigenen Augen einmontierte. Das amorphe Material des Gipses gewinnt so eine eigentümliche Lebendigkeit, obschon beispielsweise die Struktur der Haare deutlich auf das tote Material einer Skulptur hinweisen. Dieses Spiel setzte Jovan Balov als nächstes mit einem Portrait von Karl Friedrich Schinkel nach Skulptur (2011) sowie mit Portraits von Johann Gottfried Schadow (2012) und Adolph Friedrich von Menzel (2013) unter dem Titel „With my Eyes“ (vorläufig?) fort.“
Er schreibt dazu selbst: „Für mich als Künstler, der seit über zwanzin Jahren in Berlin lebt und arbeitet und sich mit der Stadt auseinander setzt, steht die Analyse der vormaligen künstlerischen Szenen und ihrer bedeutensten Vertreter im Vordergrund meines Interesses.
Noch heute kann man in Berlin viele Skulpturen, Porträts und Bildnisse von bedeutenden Vertretern jener Kunstszenen des 18. und 19. jahrhunderts wahrnehmen oder entdecken. Oft porträtierten sich beispielsweise die bedeutenden Bildhauer gegenseitig, sodass wir heutzutage die Möglichkeit haben, zu sehen, wie diese Persönlichkeiten aussahen. Es befinden sich Skulpturen im Stadtraum aus Bronze und Stein, sowie Gipskopien von Künstern wie u.a. Johann Gottfried Schadow, Christian Daniel Rauch, Karl Friedrich Schinkel, oder Reinhold Begas.
Seit einiger Zeit befasse ich mich mit der Entdeckung der Werke dieser Berliner und weiterer Künstler wie z.B. auch mit dem Maler Adolf Menzel. Während ich ihre Poträts und Werke analysierte, begann ich ihre inneren Inhalte und Botschaften zu verstehen und somit auch ihre Identität in der psychologischen Atmosphäre ihrer Werke. Das war für mich eine erste Motivation jene Skulpturen von Künstlerpersönlichkeiten selbst zu porträtieren. So machte ich mich zunächst auf die Suche nach Plastiken nach ihren Abbildern in Berlin und dokumentierte sie aus unterschiedlichen Perspektiven fotografisch. In diesen Fotos konnte ich bereits den Charakter der jeweils dargestellten Persönlichkeit spüren, doch wollte ich in meiner Malerei nicht nur ihren Charakter festhalten, sondern den Porträts ein neues Leben einhauchen.
Aus diesem Grund und da ich die Berliner Künstler des 18. und 19.Jahrhunderts nicht persönlich kennen und hinterfragen kann, entschied ich mich, ihnen eine zweite emotionale Ebene zu geben, indem ich ihnen echte Augen, meine eigenen Augen und somit auch eine emotionale Situation von mir, verliehen habe. Auf diese Weise gewannen jene bedeutenden Künstler und ihre Kunstwerke ein neues Augenlicht und können die heutige Welt nun symbolisch durch meine Augen wahrnehmen. In einem derartigen Konzept kehrt ihre historische Wichtigkeit und Rolle zurück und realisiert sich in der zeitgenössischen Kunst.“
In den Jahren 2009/10 und 2013 malt Javon Balov einige Selbstportraits. Unter dem Titel „Ego sum, qui sum ...“ stellt er sich bartlos, mit Schnautzer und mit Vollbart und 2013 mit dem Titel „Like Adam“ mit stilisierter Barttracht dar. Auch hier sind die Arbeiten wieder monochrom in Brauntönen gemalt. Die Selbststilisierungen in den Gemälden werden zugleich zu Typisierungen, in dem er Rollen von heutigen Männern annimmt, vom Dandy (Like Adam) bis zum leicht machohaftem wechselnden Rollenspiel mit und ohne Bart (Ego sum,qui sum ...).
Bereits 2007 begann Jovan Balov mit Portraits von jungen Männern aus dem Wedding, seinem Berliner Wohn- und Arbeitsbezirk, den Werken „Lukas“ und „Simon“ in monochromen Grautönen, denen 2011 und 2012 die Auftragswerke „Das Gesicht der Deutschen Hergart Fromberg“ „Christian Thomas Jügel“ sowie „Gerhard Zimmer“ folgten. Auch hier waren die Vorarbeiten und die Herausarbeitung der Charaktere in den monochromen Werken stets die gleichen wie vordem. Es entstanden zusammen mit einem Portrait seiner Tochter Ena aus dem Jahre 2009 beieindruckende Studien der portraitierten Persönlichkeiten.
2010 und 2014 widmete sich Jovan Balov zwei Künstler-Persönlichkeiten: dem Maler Wolfgang Petrick (2010) und dem Künstler, Schriftsteller und Soziologen Urs Jaeggi (2014). Neben den immer gleich intensiven Auseinandersetzungen mit den Persönlichkeiten fallen bei diesen Portraits besonders die Herausarbeitung von Details - Hautfalten bei Urs Jaeggi, Haare an Augen und auf dem Kopf bei Wolfgang Petrick - auf. Sie verstärken jeweils die Charakteristika der Persönlichkeiten, die Eigenwilligkeit bei Urs Jaeggi und die
besondere Aufmerksamkeit, die Wolfgang Petrick seinen Haaren widmet beispielsweise. Petrick ist auch im Alter von Mitte 70 immer noch auf seine Art und Weise ein Punk nicht nur als kreativer, von Jovan Balov bewunderter, Maler und das wird von diesem in seinem Gemälde auch zum Ausdruck gebracht.
Als vorläufig letzte Portraits hat Jovan Balov zwei Frauen als Auftragsarbeiten gemalt, „Jona" (2014) und „Bethina“ (2015) . Beide Arbeiten sind nach den bewährten Verfahren entstanden und zeigen jede auf besondere Art und Weise weibliche Charaktere; Jona, eine junge Frau mit leicht melancholischem Blick, Bethina, eine Frau „in den besten Jahren“ mit skeptischem Ausdruck, beide wiederum in Sepia-/Brauntönen gemalt.
Für mich sind die Portraits von Jovan Balov nicht realistische oder naturalistische Nachbildung, sondern ein künstlerisches Prinzip von ihm ist es die analytisch begründete Übersteigerung der Realität hinter den menschlichen Gesichtern frei zu legen. Sein Hyperrealismus tritt in den Portraits besonders hervor, indem er die Persönlichkeiten über ihre Vorlagen – Fotos, Skulpturen etc.– hinaus durch seine Maltechniken mit Leben erfüllt.
Es wäre für mich interessant zu sehen, ob und wann Jovan Balov über seine monochromen Ideen und Abstufungen in seinen Portraits und Gemälden einen Schritt in eine bewusste Farbigkeit wählen wird. Hier wäre eine neue Phase in seinem Schaffen zu erwarten, an die ich hohe künstlerische Erwartungen knüpfen könnte.
Rolf Külz-Mackenzie
September 2016
© beim Autor
Berlin 2016
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Dem Deutschen Volke, Cyan – Magenta – Gelb
Rolf Külz-Mackenzie
Da bricht ein junger Mann – Jovan Balov - aus einem „unbekannten“ Land in die (west-) europäische Welt auf, in den achtziger Jahren, nach Amsterdam und nach Berlin. Eigentlich wollte er nach Amerika, mit einem Stipendium, aber dies ist eine andere Geschichte von realsozialistischen Intrigen etc. Das Land seines Aufbruchs ist Mazedonien - manch einer denkt gar an Südamerika bei diesem Land, andere nur an Balkan oder an Asien, wenige an Alexander den Grossen oder an Jugoslawien. Dabei liegt dieses Land mitten im alten Europa, zwischen Griechenland, Bulgarien, Serbien, Montenegro und Albanien. Es hat eine Geschichte mit dem antiken Griechenland, mit Rom und Byzanz, mit dem Illyrern und Thrakern, mit slawischen Stämmen unter römischer wie osmanischer Herrschaft. Die Hauptstadt Skopje ist eine römische Gründung, die heutige Bevölkerung eine besondere europäische Mischung: mazedonische Slawen orthodoxer (Mehrheit) oder muslimischer Religion oder auch Areligiöse, Türken, Griechen und Albaner, Bulgaren, Serben, Bosniaken, Kroaten, Rumänen und Valachen, Sinti und Roma, Juden und was der Balkan sonst noch so bietet an Ethnien, Volksgruppen und Kulturen, und zuletzt noch zugewanderte Albaner aus dem Kosovo nach dem dortigen Krieg Ende des zwanzigsten Jahrhunderts.
All diese Geschichte und Geschichten aus der Mitte Europas im Kopf, verbunden mit den persönlichen Familiengeschichten bilden den Boden, ein Fundament, für die Untersuchungen und die Beweggründe Jovan Balovs für seine künstlerische Arbeit, die nie nur Kunst, sondern gerade auch kulturelle und künstlerische Arbeit ist. Seine Methoden sind die der künstlerischen Auseinandersetzungen mit dem kommunikativen Gedächtnis, seine Gegenstände sind die Mythen und Symbole und deren Manifestierung in den Denkmälern, den Skulpturen im urbanen Raum oder in der Landschaft. Seine künstlerischen Mittel sind Malerei, Zeichnung, Fotografie, Video- und Konzeptkunst und alles miteinander bis hin zur Inszenierung.
Gewiss spielt bei den Themen und den Untersuchungen von Jovan Balov auch eine Rolle, dass gerade seine Heimatstadt Skopje so wenige architektonische Spuren ihrer Entstehungs- und Ereignisgeschichte konservieren konnte: eine steinerne Brücke über den die Stadt teilenden Fluss Vardar, ein paar Spuren aus der osmanischen Zeit wie türkische Bäder, Hotels oder eine alte Moschee, eine Festung über der Stadt, orthodoxe Kirchen und Klöster. Wenige Häuser aus den letzten Jahrhunderten sind im Zentrum stehen geblieben, nachdem 1963 ein furchtbares Erdbeben die Stadt heimgesucht und zerstört hatte, die bereits schon einmal 518 von einem zerstörerischen Erdbeben getroffen worden war. Der alte Bahnhof gibt Zeugnis von dem Beben von 1963, ein Teil ist erhalten – jetzt Teil des Stadtmuseums - , ein anderer Teil ist nur noch eine Ruine und ist zum Erinnerungsmal an das Erdbeben geworden.
Das heutige Zentrum ist eine Mischung vor allem aus den Betonarchitekturen der sozialistischen Ära des titoistischen Jugoslawien, einer Zeit, in der Skopje wieder nach dem Beben eine blühende Stadt wurde, mit Museen, Kultureinrichtungen und Hochschulen beispielsweise. Mazedonien war seinerzeit das Zentrum der Agrarindustrie Jugoslawiens. Einige heroische Mahnmale an den Partisanenkampf sowie einige Plastiken und Skulpturengruppen sozialistischer Moderne stehen in der Stadt. Seit einigen Jahren, nachdem Mazedonien zum Ende Jugoslawiens eine eigenständige Republik geworden ist, steht ein riesiges Kreuz auf einem Berg über der Stadt, nachts goldstrahlend illuminiert. Ausser an sakralen Bauten sind nur wenige traditionelle Symbole und historisch gebundene Ikonografien im Stadtbild von Skopje sichtbar geblieben. Dies, obwohl das Land reich an Mythen und Erinnerungen sowie an Geschichte ist.
Jovan Balov ist seit den späten Achtziger Jahren in Berlin sesshaft geworden. Hier waren schon einmal ein Urgrossvater zum Handeln und weitere Vorfahren zu Gast gewesen. In dieser Stadt im Umbruch – vor allem seit dem Fall der Mauer - trifft er auf die Spuren der deutschen Geschichte der Neuzeit überall im Stadtbild. Dies auch, obwohl die deutsche Hauptstadt im zweiten Weltkrieg grosse Zerstörungen hatte. Auf seinen Spaziergängen durch Berlin, bei der Wahrnehmung der Stadt, in der er zwischen Anonymität und neuen Bekanntschaften sehr schnell angekommen ist, aus Skopje, der Stadt, in der er bekannt ist „wie ein bunter Hund“, stösst er buchstäblich mit den Augen und den Füssen auf die Zeugnisse der wechselhaften Deutschen Reichsgeschichte.
Es sind Gebäude wie der Reichstag, die alten Schlösser, Museen, Theater, Sakralbauten oder andere öffentliche Architektur wie Gerichte, Schulen und Rathäuser, es sind die Denkmäler, Brunnen oder Skulpturen, aber auch die alten Mietshäuser und Stadtvillen. All diese Architektur ist mehr oder weniger üppig verziert mit Ornamenten und Symbolen, die Bezug nehmen zur Geschichte Deutschlands, zu seinen Mythen und zum Verlauf seiner Geschichte der letzten drei Jahrhunderte, in denen Berlin zu einem geschichtsträchtigen Ort wurde, Hauptstadt der deutschen Industrialisierung und des Deutschen Reiches nach 1871, mit nur geringen Bezügen auf das „Heilige Römische Reich Deutscher Nation“. Dieses hatte sich nach der Reformation schrittweise mit dem Dreissigjährigen Krieg und der Konfessionalisierung im späten sechszehnten Jahrhundert aufgelöst, faktisch jedoch erst 1806 durch Napoleon Bonaparte. In dieser Zeit war Berlin noch nahezu bedeutungslos geblieben, eine kleine Hansestadt, dann Residenzstadt, bis im achtzehnten Jahrhundert der Aufstieg zur preussischen Garnissionsstadt und Hauptstadt, dann, im neunzehnten Jahrhundert, zur Industriemetropole und Hauptstadt des Reiches unter den Preussen und Hohenzollern gelang. Im weiteren Verlauf war der Aufstieg zur europäischen Metropole verbunden mit Nationalismus, (Welt-)Kriegen und Völkermord und der Zerstörung im Bombenkrieg, hiernach mit dem Wiederaufbau im Kalten Krieg und der Teilung durch eine Mauer in einen demokratischen Teil West-Berlin und in Ost-Berlin unter der Diktatur der DDR und des sovjetischen Totalitarismus.
All dieses manifestiert sich auf besondere Weise in dieser Stadt und die steingewordenen Mythen und Symbole stehen für die Geschichte Deutschlands und Berlins. Im Berliner Klassizismus erfüllt sich die Sehnsucht der Deutschen nach einer in der Antike wurzelnden Kultur, um sich in Mitten Europas zwischen den romanischen und den slawischen Sprachkulturen eine Geltung verschaffen zu können, gleich einem Parvenu. So diente der Rückgriff auf die Antike in der Architektur weniger der Repräsentation, als dem Versuch nachzuweisen, dass Deutschland in einer kulturellen Kontinuität stehe, die seinen Anspruch auf eine Führungsrolle in der Moderne begründen könne: „die deutsche Kulturnation, an deren Wesen die Welt genesen solle“ - und Kultur in diesem Sinne auch als gesellschaftliches Bindemittel, neben den nationalen Kriegen und als das Mittel die Deutschen zu Einen und an die Weltspitze zu führen. Ein Ergebnis dieser übersteigerten und falschen Geschichtsinterpretationen waren die beiden Weltkriege und die Verbrechen, die im Namen des Deutschen Volkes begangen worden sind. Viele dieser geschichtlichen Fragen hat Jovan Balov ausgiebig untersucht, analysiert, in seine Konzepte eingegossen, um sie in eine künstlerische Form zu bringen.
In Skopje hat er zunächst Kunstgeschichte und Archäologie studiert, hiernach Malerei und sein Kunststudium hat er in Berlin an der Hochschule der Kunst fortgesetzt. Bereits als Archäologe hat er sich mit den Symbolen und Mythen der Antike und mit den kultischen und religiösen Wurzeln und Herleitungen in Skopje befasst. Berlin hat er sich auf vielen Spaziergängen erschlosssen, auf denen er aufmerksam die steinernen und bronzenen Zeugnisse der Geschichte wahrgenommen und mit seiner Kamera archiviert hat.
Jovan Balov arbeitet sich mithin analysierend durch die Kulturgeschichte zwischen Skopje und Berlin. Denkmale, Symbole, Zeitzeichen und Mythen, die in diesen Zeichen im Stadtraum verbunden sind, hat er zu Gegenständen seiner Untersuchungen und zu den Themen seiner künstlerischen Arbeit gemacht. Die jeweilige Ikonografie bildet dabei den Hintergrund seines Wissens.
Die Synthese von Analyse, Konzeption und Kombination hat Jovan Balov zu Methoden seiner künstlerischen Arbeit in den letzten Jahren gemacht. Ob in dem Projekt „Zeichen und Seraphime“ von 2004, in dem er Engeldarstellungen im Mittelpunkt hat, oder in seinen Untersuchungen über Adler, über Portalskulpturen, geflügelte Gardisten, Pharaos, oder in „Ich und Berlin“, immer wieder legt er verschiedene Schichten von kulturellen Traditionen und seinen persönlichen Erfahrungen übereinander, immer auch im Vergleich zu seiner Heimatstadt Skopje und seinem Wohnort Berlin. Seine skulpturalen Bilder gewinnt oder findet er auf seinen zahlreichen Spaziergängen durch Berlin, meistens eine Kamera bei sich führend, um alles für seine Arbeit zu archivieren. Aus diesem Archiv bedient er sich sodann für seine Kunstprojekte.

So nimmt auch das Kunstprojekt „Dem Deutschen Volke“ – Cyan – Magenta – Gelb“ Bezug zu Berlin und Deutschland. Gefunden hat er die Inschrift „Dem Deutschen Volke“ über dem Eingangsportal des Deutschen Reichstags. Er hat sie kombiniert, d.h. aufgesetzt in seinem Triptychon ist die Malerei einer Skulptur „Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen“ des Bildhauers August Kiss, die im Nikolaiviertel in Berlin-Mitte steht.
Als Berlin 1871 Hauptstadt des Deutschen Reiches wurde, benötigte man in der Stadt ein repräsentativeres Gebäude für den Sitz des Parlaments. Deshalb wurde nach den Plänen von Paul Wallot in zehnjähriger Bauzeit von 1884 - 1894 das Gebäude für den Deutschen Reichstag erbaut. Die Idee zur Inschrift hatte der Architekt, jedoch fehlte die Schrift bei der Einweihung des Gebäudes. Die Sozialdemokraten vermuteten, dass Kaiser Wilhelm II. ihre Anbringung verhindert hatte. Ihn störte vieles: der Parlamentarismus, der Bau, der Architekt. Knapp 20 Jahre dauerte es, bis im August 1915 - mitten im Ersten Weltkrieg - das Thema wieder aktuell wurde. Ein Redakteur vom Leipziger Tageblatt meinte, die Anbringung würde das verbitterte Volk mit dem Kaiser versöhnen. Möglicherweise hat dieser Gedanke Wilhelm II. überzeugt.
Über die Gestaltung bzw. den Schrifttyp kam es dann zum Streit, bis der bekannte Berliner Architekt und Designer Peter Behrens den Schriftzug entwarf, der von der seinerzeit renommierten Bronzegiesserei Loevy gegossen wurde. Der Kaiser stellte sogar zwei erbeutete Geschützrohre kostenlos zur Verfügung, damit Bronze für die Buchstaben gewonnen werden konnte. Weihnachten 1916 konnte die Inschrift dann am Reichstag angebracht werden. Sie überstand, wenn auch beschädigt, den Reichstagsbrand von 1933 und die Bombardierung Berlins und steht, inzwischen wiederhergestellt, stolz über dem restaurierten Portal des Reichstags. Die Firmeninhaber der Giesserei Loevy waren übrigens Juden. Bevor die Nationalsozialisten an die Macht kamen, starben beide Prinzipale. Ihre Söhne übernahmen die Firma. Sie wurden nach 1933 von den Nationalsozialisten verfolgt und ermordet. Am 16. Oktober 2001 enthüllte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im Westeingang des Reichstagsgebäudes eine Gedenktafel für die Familie Loevy. Auf der Gedenktafel ist folgendes zu lesen:
Die Inschrift über dem Westportal des Reichstagsgebäudes "Dem Deutschen Volke" wurde Ende 1916 von der Berliner Bronzegießerei Albert und Siegfried Loevy (1856-1925, 1859-1936) angebracht. Deren Familien wurden - weil sie Juden waren - Opfer des Nationalsozialismus. Sie wurden verfolgt, enteignet und in Plötzensee, Theresienstadt und Auschwitz ermordet.
Jovan Balov hat sich mithin ein besonderes Bauwerk mit deutscher Geschichte vorgenommen. Der Reichstag ist ein überaus geschichtsträchtiges Bauwerk: vom Ausrufen der Republik durch Philipp Scheidemann 1918, über den Reichstagsbrand 1933 bis hin zum Hissen der sowjetischen Fahne zum Zeichen des Einmarsches der sowjetischen Truppen 1945, immer stand der Reichstag im Mittelpunkt des Geschehens. Nun ist er seit der Vereinigung von 1990 wieder Sitz des deutschen Parlaments.
Für sein Triptychon „Dem Deutschen Volke“ hat er den Giebel mit der Inschrift als Basis genommen. Das Postament am Reichstag mit der Inschrift „Dem Deutschen Volk“ über den Säulen druckte Jovan Balov auf Fahnenseide vom selbstgemachten Digitalfoto in den kühlen Computerfarben Cyan, Magenta und Gelb, nimmt ihm den Pathos durch diese Farbwahl nicht unerheblich und natürlich gewollt. Zugleich nimmt er dem gewaltigen Giebel seine Monumentalität, indem er ihn nach unten degradiert.

Die auf diese Giebelbasis des Reichstages aufgesetzte Malerei nach der Skulptur „Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen“, die Balov in der alten Mitte Berlins fand, hat neben dem Bezug auf Deutsche Mythen einen besonderen auf die Mythen in Ost-Europa, in der orthodoxen Kirche und zu seinem Heimatland Mazedonien.
Der christlichen Kirchengeschichte nach ist Georg ein Märtyrer im vierten Jahrhundert gewesen. Um den kleinasiatisch-syrischen Raum bildeten sich Legenden, die von unterschiedlichen Daten und Ereignissen berichten, jedoch als ihren Kern der Aussage die Grausamkeit der Folter haben und die Überwindung der Qualen Georgs durch seinen Glauben. Als während der Zeit der Kreuzzüge der Erzengel Michael, ein beliebter Schutzpatron, an Popularität verlor, wird dessen Eigenschaft des Drachentöters auf Georg übertragen. Dies geschah mehr als ein halbes Jahrtausend nach der Verbreitung seiner Märtyrer-Legende. Da die Märtyrer-Legende mit dem Tod endet, wurde die Drachen-Legende vorangestellt. Die Drachen-Legende des Georgs von Kappadokien ist ähnlich verschiedenen Ritter-Märchen. Der Unterschied liegt hierbei in der Aussage. Georg rettet die jungfräuliche Königstochter vor einer Bestie, dem Drachen, indem er diesen tötet. Die Königstochter ist ein Opfer, das der Drache von der Bevölkerung fordert. Das Land ist nach der Tötung befreit und Georg rät zur Taufe. Diese wird im großen Stil veranlasst, in verschiedenen Versionen der Legende an einer unterschiedlich großen Menschenanzahl, die die Wirkung des Wunders verdeutlichen soll. Der Drachenkampf ist der mutige Kampf gegen das Böse. Im christlichen Zusammenhang lässt sich der Drache zumeist mit dem Teufel gleichsetzen.
Neben den beiden Hauptlegendensträngen, die im fortgeschrittenen Mittelalter gemeinsam die Lebensgeschichte Georgs bilden, gibt es weitere um ihn herum. Wichtig für die Ausbreitung des Georgkultes in christlichen Ländern ist die Einnahme Jerusalems durch das internationale Kreuzritterheer. Hierbei erscheint Georg als weißer Ritter und hilft bei der Einnahme der Stadt. Georg als weißer Ritter entstammt eventuell der georgischen Tradition.
Georg war ursprünglich ein Heiliger der östlichen Christenheit, ausgehend vom Vorderen Orient, Äthiopien und Ägypten. Im merowingischen Frankenreich ist die Georgsverehrung schon im 6. Jahrhundert bezeugt, die größte Popularität wurde Georg jedoch im hohen Mittelalter zuteil. Im Zeitalter der Kreuzzüge und des Rittertums verbreitete sich der Kult um den orientalischen Märtyrers zusehends. Georg wurde zum Schlachtenhelfer bei der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfahrer, wurde als Soldat Christi zur Identifikationsfigur der Ritter und Krieger, zum Heiligen von Ritterorden wie dem gegen Ende des 12. Jahrhunderts entstandenen Deutschen Orden oder den Templern. In den letzten Jahrhunderten des Mittelalters war Georg der Patron von Städten, Burgen, Herrscherhäusern. Die ritterlich-adligen Georgsbruderschaften des Spätmittelalters gehören ebenso hierher wie die Adaption Georgs durch das städtische Bürgertum.
Georg, der Märtyrer und Ritter, war - so die Ikonografie des Heiligen im späteren Mittelalter - versehen mit Palme, (abgebrochener) Lanze, Schwert und Schild, war der Siegbannerträger mit Fahne, der (reitende) Drachenkämpfer mit dem besiegten Drachen, dem Sinnbild des Bösen zu seinen Füßen; er galt als Ritter der Gottesmutter Maria auf Erden, dem im Übrigen der drachentötende Erzengel Michael im Himmel entsprach. Dabei dokumentiert die Verehrung Georgs als Heiliger vom passiven, schmerzleidenden Märtyrer zum Patron der Kriegsleute den Wechsel des Christentums von der pazifistischen Religion schlechthin, zur Religion der Kreuzzüge. Vermutlich übernahm Georg hier das Drachenattribut vom Erzengel Michael, der durch Misserfolge bei den Kreuzzügen an Popularität verloren hatte. Zwar wurde Georg auch schon vor den Kreuzzügen als Ritter dargestellt, doch verfestigte sich dieses Bild durch diese Ereignisse.
Die Skulptur „Heiliger Georg im Kampf mit dem Drachen“, die die Vorlage für Jovan Balovs Arbeit darstellt, befindet sich im Nikolaiviertel in der Mitte des alten Berlins. Der klassizistische Bildhauer August Kiss konzipierte 1849 die Figuren als den Heiligen Michael (Schutzpatron der Deutschen) bei der Besiegung des Drachen (gescheiterte Revolution 1848/49) für den Prinzen Wilhelm zur Aufstellung im Park von dessen Schloss Babelsberg. Ab 1853 modellierte er eine Replik mit dem Heiligen Georg. Ursprünglich in der Mitte des ersten Schlosshofes aufgestellt, kam sie nach dem Abriss des Berliner Stadtschlosses 1951 zunächst in den Volkspark Friedrichshain. In den achtziger Jahren restauriert, erhielt die Skulptur 1987 ihren heutigen Standort. Die monumentale Bronzearbeit auf einem roten Granitsockel zeigt den Heiligen Georg, den Schirmherrn der Ritter und Schutzpatron der Krankenhäuser, als jungen Ritter auf einem sich aufbäumenden Pferd. In der rechten Hand hält er ein erhobenes Schwert. Das Pferd schlägt die Vorderhufe in Richtung des angreifenden Drachen, der ihm die Krallen bereits in die Brust geschlagen hat.
All diese Mythen und Legenden aus dem östlichen, dem westlichen und dem deutschen Christentum und ihre vielfältigen künstlerischen Verarbeitungen sowie deren Ikonografien hat Jovan Balov für seine künstlerische Arbeit „Dem Deutschen Volke“ im wesentlichen analysiert. Er kommt beispielsweise zu dem Schluss, dass der Mythos vom Drachentöter in den Figuren des Erzengel Michaels, des heiligen Georgs und der germanischen Mythengestalt des Siegfried einen ähnlichen Hintergrund hat. In seinem Triptychon setzt er nun seine Malerei von diesem Denkmal in Berlin in drei Ansichten nach seinen Fotos über den Sockel der Reichtagsinschrift und dessen Giebel.
Seine Malerei legt er auf altweissem Grund, neutral auch als Farbe des Himmels, in schwarzem Acryl an. Er malt nach eigenen Digitalfotos, die er selbst aus verschiedenen Perspektiven von dem Denkmal angefertigt hat. Er hat dieses Denkmal mit der Kamera untersuchend umkreist. Seine Malerei ist eine Transformation der dreidimensionalen Skulptur in Malerei. Sie wirkt auf den ersten Blick zeichnerisch und nahezu naturalistisch. Auf den zweiten Blick jedoch erschliesst sich eine Lichtdramaturgie in seinen Abbildungen. Nach einer vorangegangenen Computeranalyse der Digitalfotos hat der Künstler nicht nur die Auswahl und den dramaturgischen Gehalt der Skulptur, sondern auch die drei Fotos nach ihrem interpretatorischen Gehalt für seine Dramaturgie ausgewählt. Durch bewusste Hervorhebungen, Akzentuierungen und Setzungen von Lichtpunkten, Schwärzungen und Weissanteilen verändert Jovan Balov seine Abbildungen der Skulptur, dramatisiert oder relativiert sie und erhöht dadurch ihren Bedeutungsgehalt. Aus der konkret abbildenden Malerei wird bewusste künstlerische Malerei mit den Erkenntnissen aus den Analysen des Künstlers.
Bei der Auswahl der drei Perspektiven des Denkmals legt sich Jovan Balov auf folgende Ansichten fest: In der Kombination mit dem Reichstagspostament in Gelb wählte er eine Vorderansicht der Skulptur, mit Georg auf dem aufgerichteten Pferd in Drohhaltung zu dem Drachen am Boden, der abwehrend mit aufgerichtetem Kopf eine krallenbewehrte Branke gegen die Brust des Pferdes hält. Der Drachenkopf und der Pferdekopf sind zueinander dramatisiert. Der Ritter mit dem erhobenen Schwert wird als bloss drohender entlarvt, denn die Haltung des Schwertes lässt den tödlichen Stoss so nicht zu.
Das Postament in Cyan ist kombiniert mit einer Rückenansicht Georgs. Der Drachenkopf ist hin zum Pferdekopf drohend aufgerichtet. Die Krallen sind an die Pferdebrust gerichtet und der Schwanz des Drachens um ein Pferdebein geschlungen. Die Akzentuierungen liegen in den Modellierungen der Körper, in den Hervorhebungen zur Komposition der Skulptur. Dem Drachenkopf sind zudem Augen überdeutlich eingeführt, die so in der Skulptur nur indirekt wahrnehmbar erscheinen.
Auf dem Postament in Magenta zeigt Jovan Balov die Skulptur seitlich. Weder Pferd, noch Reiter oder Drache sind konkret sichtbar. Eine grosse Dynamik wird hergestellt durch die Hervorhebung von Fahne, Schwert und Helmkreuz im Kopfteil der Malerei. Der Reiter Georg in Rückenansicht hingegen erscheint ruhig auf dem Pferd sitzend, das Pferd gar seitlich schwebend. Der Drachen ist nicht mehr konkret wahrnehmbar, könnte auch ein Kraken sein. Die blosse Drohgebährde Georgs zu dem Drachen lässt sich so nur als ewiger Kampf gegen das Böse ohne Sieger oder Besiegte interpretieren.
Gerade in dem Dreiklang des Triptychons zeigen diese Drohgebährden eine Kontinuität: der Drachen wird nie getötet, es ändert sich nichts, es bleibt die Angst, die Bedrohung, das Unberechenbare, es bleibt ein Teil von dem, welches man der deutschen Mentalität vielerorts zuschreibt: der Drache wird wohl nie besiegt.
Die Interpretationen zur deutschen Geschichte sind in dieser Arbeit vielfältig. Sie geben einer kritischen Auseinandersetzung Raum. Jovan Balovs Triptychon ist in seiner Kombination überaus wirkungsmächtig, nicht zuletzt auch durch die Farbgebung der Postamente mit der titelgebenden Inschrift. In gut geschulter Maltechnik und der Umsetzung der Ergebnisse seiner Analysen und den daraus gewonnenen Konzepten erweist sich Jovan Balov als ein Künstler, der nicht nur seine Metiers beherrscht, sondern der auch alle Register für seine beabsichtigten Wirkungen ziehen kann.
Rolf Külz-Mackenzie, Berlin im Mai 2006
© Alle Rechte bei dem Autor, Berlin 2006
Zur uneingeschränkten Verwendung und Weitergabe
ausschliesslich an Jovan Balov weitergegeben durch den Autor.
2 Belegexemplare erbeten an:
Dr. Rolf Külz-Mackenzie